ARBEIT MIT DEM ERFAHRBAREN ATEM

Ohne zu atmen ist Leben unmöglich

Kaum jemand ist sich bewusst, wie er oder sie atmet. Atmen, das geschieht einfach, ohne dass jemand darüber nachdenkt. Dabei durchströmt der Atem uns von Geburt bis zum Tod und stellt ähnlich wie die Herz- und Kreislauffunktion eine der wichtigsten vegetativen Funktionen des Menschen dar. Wir können im Leben auf vieles für einige Zeit verzichten. So können wir wochenlang auf Nahrung bewusst verzichten, wenige Tage ohne zu trinken überstehen, wir können den Schlaf einige Zeit hinausschieben, aber ohne zu atmen können die wenigsten einige Minuten aushalten. Dies macht deutlich, wie wichtig das Atmen für uns Menschen ist.

Im Gasaustausch wird verbrauchte gegen lebensbildende Energie ausgetauscht

Leben ohne zu atmen ist für menschliches wie auch tierischen Leben nicht möglich. Pflanzen atmen im eigentlichen Sinn nur nachts, führen aber tagsüber in der Fotosynthese einen Gasaustausch durch, bei dem der für Menschen und Tiere wichtige Sauerstoff gebildet wird. Beim Atmen wird der in die Lunge aufgenommene Sauerstoff dort gegen die abzugebende Kohlensäure ausgetauscht. Sauerstoff wird gebraucht, damit die durch den Verdauungsprozess gewonnenen Nährstoffe in den Körperzellen zum Zwecke der Energiegewinnung verbrannt werden können. Mit dieser entstandenen Energie leben wir Menschen dann tagtäglich, d.h. wir bewegen uns, wir arbeiten, studieren, pflegen unsere Interessen, treiben Sport und vieles mehr.

Atemweise und Lebensweise befruchten bzw. behindern sich gegenseitig

Atmen heißt also leben. Erlischt der Atem, erlischt auch unser Leben und der Tod tritt unmittelbar ein. Atmen und Leben hängen eng zusammen und das eine wirkt in seiner Art auf die Qualität des anderen ein. So hat unsere Lebensweise Bedeutung für die Art und Weise, wie wir atmen. Umgekehrt spiegelt sich ein leichtes oder erschwertes Atmen entsprechend in unserem Leben wider. Im Volksmund weisen eine Vielzahl von Redewendungen auf diesen Zusammenhang hin: Es verschlägt mir den Atem! – Mir stockt der Atem! – Nach Atem ringen und zu Atem kommen! – Vor Schreck und vor Angst den Atem anhalten! – Da bleibt einem die Luft weg! – Jemanden in Atem halten! Direkt oder indirekt weisen diese Redewendungen auf den engen Zusammenhang von Lebenserfahrung und Atemerfahrung hin.

Freude befreit das Atmen, während Kummer und Sorgen das Atmen einschränkt

Jeder Mensch kennt die Erfahrung, dass Kummer und Sorgen die Brust einschnüren und man nicht mehr frei durchatmen kann, während Freude und Glück uns befreien und entspannen, so dass wir wieder tief durchatmen können. Fließt anschließend der Atem wieder in uns frei, fühlen wir uns beschwingt und voller Spannkraft. Wir sind vital, voller Lebensenergie und können uns kraftvoll und lebendig unseren Interessen und Aufgaben widmen.

Der unwillkürliche oder unbewusste Atem

Generell lassen sich drei Weisen zu atmen unterscheiden. Beim unwillkürlichen oder auch unbewussten Atem schwingt dieser ähnlich den Wellen eines Meeres in ihrem unaufhörlichen Kommen und Gehen rhythmisch in uns. Er lässt uns im Einatmen in den Körperwänden und in unserem Inneren weit werden und wieder schmal beim Ausatmen, dem sich unter gewissen Umständen eine Atemruhe anschließt, an die sich wieder ein neues Einatmen anschließt. Doch im Normalfall beachten wir diese lebendigen, rhythmischen Bewegungen nicht. Der Atem stellt einerseits für die meisten Menschen das Selbstverständlichste der Welt dar, doch sie sind sich seiner meistens auch nicht bewusst.

Der willkürliche oder bewusste Atem

In der zweiten Atemweise, der willkürlichen Atemfunktion, steuern und setzen wir den Atem zweckgerichtet ein. Der Verstand versucht mit willentlichem Atmen etwas zu erreichen. So können wir bewusst und absichtlich tief und tiefer atmen, wir können verlangsamt atmen oder auch den Atem stocken lassen. Bis zu einem gewissen Grad können wir willkürlich sogar die Luft anhalten und aufhören zu atmen.

Der Erfahrbare Atem

Zwischen diesen beiden Atemweisen gibt es eine weitere, den Erfahrbaren Atem. Bei dieser Methode des Erfahrbaren Atems nach Professor Ilse Middendorf, der Begründerin dieser Methode, handelt es sich um ein sogenanntes Psychophysisches Verfahren. Dieses Verfahren kann sowohl in einer pädagogisch, unterstützenden als auch in einer therapeutisch, heilerischen Weise eingesetzt werden.

Der Erfahrbare Atem als Lebenswerk von Ilse Middendorf

Es ist ein großes Verdienst von Frau Middendorf, dass sie als ihr Lebenswerk ein System von Übungen und Anleitungen zur Verbesserung der Atemfunktion geschaffen hat. Durch diese Anleitungen kann eine Person, die unter diversen Atemproblemen, Atemfehlformen als auch Atemfunktionsstörungen leidet, wieder lernen, freier und leichter zu atmen. Zudem wird dieser in neuer Weise lebendiger atmende Mensch sich auch innerlich freier und leichter fühlen. Denn nicht nur Atemstörungen werden mit Hilfe des Erfahrbaren Atems gelindert und aufgelöst, sondern verschiedenste Lebens- und psychische Probleme können durch Atemarbeit angegangen werden.

Durch Bewusstheit Atem und Leben verändern

Mit Hilfe der Methoden der Atemarbeit ist es möglich, die eigene, bisher unbewusst gebliebene Atemweise zu erspüren. In Folge lassen sich allmählich daraus auch die eigenen, unbewussten Verhaltens- und Lebensweisen erkennen und diese auch verändern. Denn ändert sich die Art, in der jemand atmet, dann verändert sich auch die Art und Weise, wie er sein Leben führt. Verspannungen, Blockierungen, Stress und andere Arten inneren Festhaltens können auf diese sanfte Weise langsam überwunden werden.

Stress verursacht viele gesundheitliche Probleme

Dies ist besonders wichtig in unserer heutigen schnelllebigen Zeit. Viele Menschen kommen nicht mehr aus Hektik und Stress heraus, wodurch sie innerlich nicht mehr abzuschalten wissen und zur Ruhe finden können: Schlafstörungen, nervliche Überbeanspruchungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere leichte und schwere Erkrankungen sind die Folge von Hetze, übergroßer Unruhe und Rastlosigkeit im Alltag von immer mehr Menschen.

Mit der Atemformel aktiv gegen den Stress angehen

Spürsames und feines Nachspüren des Atems und seines muskulären Geschehens im eigenen Körper bietet ein Ausweg aus diesem Stresslabyrinth. Als zentral bedeutsam erweist sich hierbei das wache und achtsame Zulassen des Atems. Es geht darum zu erkennen, wie wir selbst atmen, ohne jedoch unseren Atem zu beeinflussen, zu stören oder auch nur verändern zu wollen. Dieser Vorgang drückt sich in der sogenannten Atemformel aus: “Wir lassen den Atem kommen, wir lassen den Atem gehen und warten, bis er von selbst wiederkommt.” (Ilse Middendorf)

Der Erfahrbare als Grundlage, um sich seine innewohnenden Kräfte zu erschließen

Ist nun ein/eine am Atem Übende(r) in der Lage, sich selbst so zum Zeugen seines eigenen Atemgeschehens zu machen, ohne dieses in irgendeiner Weise zu beeinflussen, so legt er/sie eine Grundlage zum Erfahren der in uns wirkenden Kräfte, Qualitäten und Möglichkeiten. Im praktischen Anwenden der Atemformel steckt der Schlüssel, um das Wesentliche der Arbeit mit dem Erfahrbaren Atem zu erfahren.

Durch Luft anhalten werden viele seelische und gesundheitliche Kräfte und Energien blockiert

So sabotieren nicht wenige Menschen durch Stress und Hektik unbewusst ihr Atemgeschehen. Vor allem in belastenden und nervlich anspannenden Situationen halten viele den Einatem an, wenn auch oft nur für einen kurzen Moment. Ihnen ist meist nicht bewusst, dass dieses für sie erhebliche Konsequenzen hat. Im Laufe der Jahre führt ein solches, unbewusst gehaltenes Atmen zu mehr oder weniger gesundheitlichen Störungen. Gleichzeitig blockiert ein Mensch durch diesen gehaltenen Atemrhythmus viele seiner seelischen und geistigen Vorgänge, wie bestimmte Gefühle, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Phantasie, Gedanken und vieles mehr. Der Mensch bremst und beschneidet die Fülle seines inneren Potentials.

Nur vollständiges Ausatmen gibt uns die Möglichkeit, voll und ganz wieder einzuatmen

Viele haben durch das Leben mit seinen besonderen Belastungen verlernt, sich wirklich voll und ganz ausatmen zu lassen. Anstatt die eingeatmete Luft auch wieder loszulassen und ganz von sich gehen zu lassen, wird nur ein Teil der zuvor eingeatmeten Luft ausgeatmet, der Rest wird unabsichtlich festgehalten und verbleibt in der Lunge zurück. Ängstlich sind diese Menschen oftmals darauf bedacht, so viel wie nur möglich von der kostbaren, sauerstoffhaltigen Luft in sich zu behalten. Ein ungewollt ablaufender Prozess, doch er zeugt davon, wie wenig diese Menschen von dem Gesetz des Gebens und Nehmens tief im Inneren wissen. Muss doch erst einmal fast vollständig ausgeatmet und losgelassen werden, bevor neuer, erfüllter Einatem die Lungen wieder füllen kann. Der Asthmakranke erfährt dieses Manko immer wieder bei jedem Atemzug. Glaubt dieser subjektiv doch, nicht genug einatmen zu können, in Wirklichkeit jedoch sind seine Lungen voll angefüllt mit alter, sauerstoffarmer Luft, die er nicht los wird, um sich dann wieder befreit einem neuen Einatmen öffnen zu können.

Die Atempause schenkt uns Ruhe im Atem und im Leben

Andere finden beim Atmen wie im Leben keine Ruhe: ihnen fehlt die Atemruhe. Der Atem kann am Ende des Ausatmens nicht in die Atemruhe hineingleiten, um sich darin selbst ganz los zu lassen und aufzugeben. Dies lässt sich mit dem Wasser eines Flusses oder Stromes vergleichen, das ins Meer fließt und dabei sich ganz mit dem Wasser des Meeres sich vermischt und auch darin auflöst. In gleicher Weise löst sich der Ausatem im ‚Meer der Atemruhe’ total auf, bis wieder ein neues Einatmen den Kreislauf des Atems beginnen lässt. Die Atemruhe bedeutet für uns Menschen, dass in dieser Phase der Atem von den inneren Bewegungen beim Ein- wie beim Ausatmen zur wirklichen Ruhe kommt, ein energetisches Loslassen von all dem, was vorher und bisher war. Sie ist nicht nur eine Ruhephase für das Atmen, sondern in ihr zeigt sich auch die Ruhe, die der Mensch in seinem Leben zulassen kann. Hat ein äußerlich scheinbar ruhig wirkender Mensch keine Ruhe im Atem, so fehlt ihm die echte tiefe Ruhe im Inneren.

Je freier wir den Atem fließen lassen können, um so besser kommen wir auch mit dem Leben zurecht

Lernt ein Mensch durch die Arbeit mit dem Atem wieder entspannt, frei und tief zu atmen, oder anders gesagt, lässt er den Atem wieder geschehen, dann verändert sich durch die andere, verinnerlichte und bewusst erlebte Atemweise sein gesamtes psychophysisches Dasein sowie seine Umgehensweise mit der äußeren Lebenssituation. Negativ wirkende emotionale Verhaltensmechanismen können langsam erkannt, aufgelöst und positiv verändert werden. Ganz besonders wichtig ist dieser Zusammenhang für Situationen, in denen Menschen unter starken inneren als auch äußeren Zwängen und Spannungen stehen. Kann dann der Atem immer noch frei fließen oder behindert und hemmt die schwierige Lebenssituation den Atem? – Auch hier gilt, dass je freier ein Mensch in belastenden wie in alltäglichen Situationen den Atem kommen und gehen lassen kann, er um so besser der inneren wie auch äußeren Problematik seines Lebens gerecht werden und sie einer Lösung zuführen kann.

Atemkräfte erwecken und beleben “blinde Flecken”

Öffnen wir uns und geben uns achtsam diesen spürsam erfahrenen, inneren Atemkräften hin, die auch mit einem Energieschub körperlicher Art umschrieben werden können, beginnen die muskulären Bewegungen des Atems wieder in Körpergegenden zu fließen, die bisher ‚blinde Flecken’ in der eigenen Empfindung waren, unbelebt und abgeschnitten vom körperlichen und seelischen Ausdruck. Nach und nach erspüren wir immer mehr unseren gesamten Leib und lernen uns als Person immer besser kennen. Wir werden in unserer Muskulatur durchlässiger für die inneren Bewegungen des Ein- und Ausatems, die uns von oben bis unten, von hinten bis vorne, von links bis rechts durchströmen. In aller Deutlichkeit können wir zum Beispiel beim Neugeborenen die Atembewegungen erkennen.

Lebendiges Atmen fördert die innere Einheit des Menschen

Die Wissenschaften der letzten Jahrhunderte haben den Menschen in Körper, Seele und Geist aufgespalten und getrennt. Arbeit mit dem Erfahrbaren lässt uns durch wachsende Empfindungsfähigkeit erkennen, dass der Mensch nicht in einzelne Bereiche zerlegt und getrennt werden kann, ohne dass das Wesentliche des Menschen, seine vitale Lebendigkeit, geschwächt und beeinträchtigt wird. Nicht Separieren und Aufsplittern ist angesagt, sondern das, was zu einer Einheit verbunden ist, vielmehr zu differenzieren und zu unterscheiden.

Körper, Seele und Geist sind vom lebendigen Atem durchdrungen und vereint

Durch die Arbeit mit dem Erfahrbaren Atem erspüren und erfahren wir, dass Körper, Seele und Geist vom Atem durchdrungen und zu einer Einheit verschmolzen werden. Lebendiger, ungehinderter Atem durchströmt mit seinen inneren Bewegungen alle Organe, Gewebe und Muskeln. Alle Funktionen und inneren Prozesse des Menschen werden durch zulassendes und gelassenes Atmen miteinander verbunden. Schicht für Schicht wird so non-verbal der ganze Mensch atmend immer tiefer angesprochen und auf allen drei genannten Ebenen ent-wickelt. Die Selbstheilungskräfte des Menschen werden gestärkt und körperliche Blockierungen, Verspannungen, Fehlhaltungen wie auch bestimmte Erkrankungen können aufgelöst werden. Seelische Barrieren und unbewusste Einschränkungen unserer individuellen Ausdrucksfähigkeit können ins Bewusstsein gehoben werden, so dass beharrliches Üben am Atem uns zunehmend innerlich freier, weit und ganz werden lässt.

Lebendiger, gelassener Atem führt uns zum Wesentlichen

Auf einer geistigen Ebene können wir zu uns und unserer Lebensaufgabe finden sowie zu unserer ureigensten Mitte vordringen, so dass oberflächliches Agieren, Umhersuchen und Tasten einem inneren Wissen und einer inneren Gewissheit weicht. Falsche Bilder und uns ungemäße Vorstellungen können fallengelassen werden, wodurch die wesentlichen und zentralen Fragen unseres individuellen wie auch gesellschaftlichen Lebens in den Blickpunkt gerückt werden.

Wachstumsprozesse sind oftmals von Irritationen und Krisen begleitet

Doch der Weg zu diesem neuen Verständnis von sich selbst wird aller Voraussicht nach nicht ganz leicht sein. Wachstumsprozesse werden auch von Zeiten der Irritation und der Krise begleitet. In ihnen bricht Altes und überfällig Gewordenes auf. Es kann vielleicht erst schwer angenommen und akzeptiert werden, bis es dann umschlägt zu etwas Neuem, das in uns reif geworden ist. Die Krise wird zum ‚Prüfstein’, ob wir für das Neue wirklich bereit sind. Können überholte Atemmuster wirklich abgelöst werden, weil sie zu einer anderen, neueren und reiferen Art zu leben nicht mehr passen oder fällt jemand wieder in alte Muster der Vergangenheit zurück, da die Bindungen an diese Vergangenheit noch nicht gelöst werden konnten?

Der Erfahrbare Atem verbindet als Leitseil Körper, Seele und Geist

Wird der Erfahrbare Atem zu einem ‚Leitseil’, in dem er Körper, Seele und den Geist zu einer einander durchdringenden Einheit verwebt, verbinden wir uns mit tief in uns wohnenden Kräften und Fähigkeiten, die wir aus dem Verborgenen über das Licht eigener bewusster Erfahrung zum Ausdruck und zur kreativen Gestaltung bringen können. Mutig und selbstbewusst übernehmen wir Verantwortung für unser eigenes Leben und versuchen vielleicht das lebendig umzusetzen, was wir als wichtig und notwendig erkannt haben.

Spürsames und gelassenes Atmen schafft Räume im Inneren wie im Äußeren

Durch die Arbeit daran, bewusster und spürsamer atmen zu lernen, können wir Raum gewinnen. Sowohl im eigenen Inneren im Entdecken und Ausbilden der verschiedenen Atemräume, als auch in Bezug auf den uns umgebenden Raum: zu unserer Umwelt, den Mitmenschen, dem Partner. Wir nehmen einen dynamischen Platz im Verhältnis von Nähe und Distanz zur umgebenden Welt ein, wir handeln aus erspürter Mitte im Verhältnis zu uns selbst und zu anderen.

Sammlung, Empfindung und Atmung bilden einen Dreiklang

Grundlegende Ausgangsbasis für das zuvor Gesagte bietet die Dreiheit von sammeln, empfinden und atmen. Indem wir uns mit achtsamer, geistiger Anwesenheit in einen Körperteil sammeln und gleichzeitig mit dem sich zunehmend verfeinernden Empfindungsbewusstsein ebenfalls in diesen Körperteil spüren, empfinden wir die dort einsetzende Atembewegung. Lege ich z.B. eine Hand auf ein Schlüsselbein und empfinde dieses dort bei gleichzeitiger innerer Sammlung, dann fließt der Atem dorthin und ich spüre am Schlüsselbein die rhythmischen Bewegungen des Atems im Weit- und Schmalwerden.

Die Arbeit mit dem Atem setzt die Bereitschaft voraus, sich auf innere Prozesse einzulassen

Die praktische Arbeit am Atem erfolgt in der Regel in einer Gruppe als auch in der Einzelstunde. Die Arbeit mit dem Erfahrbaren Atem wendet sich an Erwachsene jeden Alters und erfordert keine besonderen körperlichen als auch geistigen Voraussetzungen. Notwendig erweist sich jedoch die Bereitschaft, sich auf innere Prozesse einlassen zu können. Die Körperübungen am Atem werden im Sitzen auf einem Hocker, aber auch im Stehen, im Liegen und im Gehen durchgeführt. An jede Übung schließt sich eine Phase des inneren Nachspürens und Nachschwingens an, insbesondere für den Atem und seine Bewegungen. Durch eine Vielzahl von Dehnungsübungen der Bewegungs- und Skelettmuskulatur, sowie durch sanften Druck auf bestimmte Stellen des Körpers werden die Kräfte des Atems angesprochen und aktiviert. Im Tönen von Vokalen, Konsonanten, Silben, einzelnen Wörtern und ausgewählten Sätzen wird die Empfindungsfähigkeit für das Atemgeschehen besonders erweckt und geschult.

Dehnungen, Druckpunktarbeit und Vokalraumarbeit münden in Bewegungen aus dem Atem

Alle drei Übungsformen – Dehnungen, Druckpunktarbeit sowie Vokalraumarbeit – münden in eine vierte Art der Übung, die Bewegungen aus dem Atem. Hier lassen wir uns von den inneren Bewegungen des Atems mitnehmen und versuchen diese in Form einer Gebärde, durch Mimik oder Gestik ausdrücken. So mag eventuell eine für uns typische Bewegung entstehen oder auch eine Art Tanz, frei in Form und Gestaltung, in dem wir uns so auszudrücken versuchen, wie wir uns gerade in diesem Moment empfinden. Die Art der Bewegung entsteht ganz aus dem Atem heraus und drückt eigene, aus dem Inneren kommende Gedanken, Gefühle und Intuitionen aus.

Atemmeditation bringt die verschiedenen Facatten einer Person zum Licht der Bewusstheit

Die Atemarbeit ist in ihrer Gesamtheit vom Meditativen getragen. Aus meditativer Haltung erwachsen die Früchte dieser Arbeit. In der Atemmeditation fließen die verschiedenen Arbeitsgebiete der Atemarbeit zusammen. Über die tiefe Sammlung auf den zugelassenen Atem werden die unbewussten Anteile und Fassetten unserer gesamten Person Schicht für Schicht zum Licht der Bewusstheit getragen und der Befreiung zugänglich gemacht. Der Mensch erkennt den Weg zu sich selbst, zu seiner inneren Mitte und setzt sich in Verbindung zur kosmischen Kraft.

Die Einzelarbeit ist eine besondere Form der Arbeit mit dem Erfahrbaren Atem

In der Einzelarbeit liegt der/die Klient(in) bekleidet auf einer Liege und der Atemlehrer spricht in besonderer Weise mit seinen Händen über Dehnungen der Muskulatur und sanften Druck auf bestimmte Körperstellen die Atemkräfte des/der Liegenden an. Ziel ist auch hier, den Fluss der inneren Bewegungen des Atems spürbar zu machen, so dass verinnerlichtes Festhalten, Blockaden und muskuläre Verspannungen gelöst werden und der Atem frei fließen kann.

Der Erfahrbare Atem als innere Reise führt zu tieferen Schichten unseres Erlebens

Der Erfahrbare Atem bietet einen Weg an, Körper, Seele und Geist nicht nur als Einheit spürsam neu zu entdecken, sondern vermag diese auch in fließender und in gegenseitig sich durchdringender Weise ins Gleichgewicht zu bringen. Inwieweit dies gelingt, hängt zu einem großen Teil ganz von unserer inneren Offenheit und unserem ausdauernden Bemühen ab. Können wir uns schließlich auf das Abenteuer einer inneren Reise zum Erleben tieferer Schichten von uns selbst einlassen, finden wir uns vielleicht irgendwann in neuer Wese wieder: ein Mehr an Gesundheit und Wohlgefühl ist eventuell entstanden, Fehlatemweisen und Haltungsmängel können behoben und chronische Muskelverspannungen können gelöst worden sein. Die Abwehr- und Selbstheilungskräfte sind vielleicht gesteigert worden, Lebenskräfte vitalisiert uns Krankheitssymptome sind eventuell gebessert oder sogar ganz überwunden worden. Sehr wahrscheinlich werden wir eine Zunahme an innerer und äußerer Lebendigkeit, an psychischer Stabilität und körperlicher Beweglichkeit, sowie an heiterer und gelassener Lebensfreude registrieren.

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