ÜBERBLICK UND EINFÜHRUNG IN DIE RESILIENZ

Definition und Einführung in das Thema:

Resilienz leitet sich von dem lateinischen Verb resilire ab, das zurückspringen oder abprallen bedeutet. Das englische Wort resilience besagt: Elastizität, Spannkraft, Schwung, Beweglichkeit, Unverwüstlichkeit. In der Psychologie beleuchtet Resilienz die seelische Stärke oder auch die seelische Widerstandskraft eines Menschen. Resilienz ist die „Fähigkeit eines Menschen, sich trotz widriger Umstände und Lebenskrisen, trotz Niederlagen, Kümmernissen und Krankheiten immer wieder zu fangen und neu aufzurichten“. (P. Hammerschmid) Das Geheimnis um die Fähigkeit zur Resilienz nennt man auch den R-Faktor.

Dem Resilienzkonzept liegt das Verständnis zugrunde, dass der Mensch ein sich ständig entwickelndes und sich wandelndes Wesen ist. Das „Ich“ des Menschen ist nicht festgefügt und unveränderlich oder starr, sondern ständig in Bewegung und im Fluss. Eine ungeheure Flut von Informationen, Impulsen, Ereignissen und Geschehnissen sowie Erfahrungen bewirkt ein Gemenge und Zusammenfließen von sich ständig bewegenden und erneuernden Kräften, die den Menschen ausmachen, ihn gestalten und ausrichten. Resiliente Menschen sind in der Lage, mit diesen sich ständig verändernden Kräften und Energien nicht nur sehr gut umzugehen, sondern diese für sich zu nutzen und sie aktiv zu ordnen und für sich selbst und andere positive Resultate zu erzielen.

Bei nicht oder weniger resilienten Menschen ist jedoch das „Ich“ oder die Persönlichkeit des Menschen leider rigide oder starr, manches Mal sogar außerordentlich unnachgiebig, was dann in der Alltagsanpassung zu mehr oder weniger großen Schwierigkeiten führt. Diese Menschen sind nicht wirklich in der Lage, flexibel und dynamisch auf Veränderungen im Leben zu antworten, sondern haften an vergangenen Lebenslagen, Situationen und Geschehnissen an und können sich eher schlecht auf Wandel und Abweichungen vom Gewohnten einstellen. Dies kann bis zu Anpassungsstörungen oder psychischen Erkrankungen wie irrationalen Ängsten, Depressionen oder dergleichen führen.

Doch die Frage bleibt:
• Wieso kann der eine Mensch etwas ertragen, was den anderen zerbricht?
• Wie bringen Menschen es fertig, selbst die widrigsten Situationen unbeschadet zu überstehen?
• Wieso können manche Menschen mit ihren Furchen und Narben leben und andere verzweifeln am „Kratzer“?
• Welcher Fähigkeiten bedarf es, um aus Krisen und schwierigen Lebensumständen gestärkt hervorzugehen?
• Was können wir konkret tun, um resiliente Kräfte in uns zu entwickeln?

So könnten wir bei uns selbst mit einem ehrlichen Blick schauen, auf welchen seelischen und geistigen Gebieten wir schon resiliente Kräfte entwickelt haben und wo wir noch Defizite verspüren, die uns bisher daran gehindert haben, in Krisensituationen effizient und kraftvoll mit den Schwierigkeiten umzugehen.

Zur Resilienz:

Unser Leben kann durch vieles – besonders in der Kindheit – aus der Bahn gebracht werden. Risikofaktoren können viele sein: Belastungen der Mutter während der Schwangerschaft, materielle Armut, Arbeitslosigkeit, Scheidung der Eltern, mangelnde Bildung sowie Alkoholismus und Suchtstrukturen in der Herkunftsfamilie, Traumata durch Kriegs- und andere Gewalteinwirkungen, unzureichende Grundversorgung in materieller als auch seelisch-emotionaler Hinsicht z.B. durch schwere Erkrankungen von Mutter oder Vater und vieles mehr.

Unendlich ist, was einem im Laufe eines Lebens den Atem nehmen kann. Um als resilient zu gelten, ist es offenbar wichtig, die Fähigkeit zu haben, sich nicht als ein auswegloses Opfer zu sehen und die eigene Situation verändern zu können. Erworben wird Resilienz wohl in den ersten 10 Jahren des Lebens, aber ein Teil jener „Glückshaut“ scheint auch angeboren zu sein: z.B. ein pflegeleichtes Temperament schon als Baby und Kleinkind zu besitzen. Resiliente Kinder werden als freundliche, gut gelaunte und herzliche Menschen beschrieben, die sich schnell neuen Bedingungen anzupassen verstehen. Sie fühlen sich akzeptierter als andere, wissen, wie man soziale Konflikte löst und Unterstützung mobilisiert. Ihr Selbstwertgefühl ist hoch und sie haben dauerhafte Freundschaften. Sie wachsen an Krisen und nutzen diese als Chance.

Unterschiede zwischen resilienten zu „auffälligen“ Kindern sind z.B.:
• Stehauf-Kinder haben stabile emotionale Beziehungen zu einem Erwachsenen wie Eltern, Großeltern, Onkel, Tante, Nachbarn, Lehrer etc..
• Sie beziehen sich auf Menschen, die als soziales Vorbild dienen und die ihnen zeigen, wie Probleme konstruktiv gelöst werden.
• Sie kommen früh in die Lage, Leistungsanforderungen zu bewältigen, die ihrem Alter und geistigen Stand entsprechen wie z.B. ein Amt in der Schule, die Versorgung jüngerer Geschwister, eine Aufgabe im Verein, etc..

Resilienz und ihre Entwicklung ist jedoch nicht nur auf die Kindheit beschränkt. Sie zieht sich ein Leben lang durch. Demnach ist Resilienz eine Fähigkeit, die jeder Mensch aufbauen und lernen kann. Auch Erwachsene können ihre Widerstandskraft durch Disziplin und Ausdauer zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens schulen. Die Forscher sind sich einig, dass zu einem resilienten Menschen folgende Eigenschaften gehören:

• Beziehungsfähigkeit
• Hoffnung
• Selbständigkeit
• Fantasie
• Kreativität
• Unabhängigkeit
• Humor
• Entschlossenheit
• Mut
• Einsicht
• Reflexion

Menschen, die mit diesen innersten Eigenschaften ausgestattet sind, besitzen lebendige, bewegliche Kräfte, die ihnen erlauben, auch mit schwierigsten und scheinbar aussichtslosen Lebenslagen fertig zu werden. Ein konkretes Beispiel dafür ist die burmesische Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi, die mittels buddhistischer Vipassana-Meditation sich darin trainierte, den Beschränkungen und konkreten Bedrohungen ihres Lebens nicht nur standzuhalten, sondern mit ungeheurer geistiger Entschlossenheit, Mut und Tatkraft entscheidend dazu beizutragen, dass sich das politische Gesicht Burmas in den letzten Jahren verändern konnte.

Diese elf Charaktereigenschaften bilden ein Gerüst oder – besser gesagt – eine geistige Wirbelsäule, die uns hält, wenn wir in Krisensituationen standzuhalten haben. Ein überschaubares Handwerkszeug dazu sind die sieben Säulen des „Resilienz-Konzeptes“. Diese Pfeiler sind innere, geistige Werkzeuge, die uns in schwierigen Lebenssituationen Richtungen für unseren weiteren Lebensweg aufzeigen und uns anleiten, in welcher Weise wir aktiv handeln oder etwas auch loslassen können oder wie wir im Alltag an Dinge und Situationen des Lebens in resilienter Weise herantreten können.

  1. Säule: Optimismus
  2. Säule: Akzeptanz
  3. Säule: Lösungsorientierung
  4. Säule: Die Opferrolle verlassen
  5. Säule: Verantwortung übernehmen
  6. Säule: Netzwerkorientierung
  7. Säule: Zukunftsplanung
  8. Lernen, ein Optimist zu sein:

1. Lernen, ein Optimist zu sein:

„Optimisten sind überwiegend Menschen, die zutiefst davon überzeugt sind, dass sie kein Spielball des Schicksals, sondern Handelnde sind. Wir entscheiden selbst darüber, ob wir eine Krise als Desaster oder als Chance für einen Neuanfang begreifen.“ (Micheline Rampe, Der R-Faktor) Menschen, die keine geborenen Optimisten sind, können trotzdem lernen, Optimisten zu sein. Dazu müssen sie ihren Alltag und ihre Erlebnisse immer wieder neu analysieren, das Negative verarbeiten, das Positive als Ansporn betrachten, sich auf ihre Stärken besinnen – und weitermachen im Glauben daran, dass das Leben es gut mit ihnen meint.

Akzeptieren, was ich nicht ändern kann:

„Viele Menschen müssen auf dem Weg zu innerer Stärke erst einmal lernen, dass Veränderungen – auch negative – einfach zum Leben dazugehören. Veränderungen sind ein Prinzip des Lebens, das keiner von uns ändern kann oder vor dem wir uns schützen könnten. Krisen sind oft Teil dieser Veränderungen – und diese Krisen müssen wir nutzen, um Ideen zu kreieren und aktiv zu werden. Oft stellt sich im Rückblick sogar heraus, dass die Krise gerade zum richtigen Zeitpunkt kam, um meinem Leben eine neue Richtung zu geben.“ … „Wenn ich mich gegen die Realität auflehne, kann ich nicht gewinnen. Wenn ich aber meine Situation akzeptiere, dann hat das Geschehen keine emotionale Macht mehr über mich. Und damit werde ich frei, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und nach neuen Perspektiven zu suchen.“ (M. Rampe)

Lösungsorientiert denken – und Handeln:

Rückwärts gerichtetes Denken und an der Vergangenheit ausgerichtetes Handeln bringt nicht weiter. Immer wieder zu fragen „Warum musste mir das passieren? weist uns keinen neuen Weg, der zur Lösung des Problems führt. Man sollte sich vielmehr frühzeitig die richtigen Fragen stellen:
• Wo stehe ich jetzt?
• Wo will ich hin?
• Wie komme ich am besten dorthin?
• Wer kann mir dabei helfen?
• Gibt es Anzeichen dafür, dass ich – wenn ich dieses Ziel erreiche – glücklicher und zufriedener bin?
Es braucht den Mut, Altbekanntes hinter sich zu lassen und nach vollkommen neuen Lebensentwürfen zu suchen.

Die Opferrolle aufgeben:

„Solange ich auf dem Boden – also in der Opferrolle verharre, mache ich mich selbst klein und die Probleme groß. Um aber einen neuen Blickwinkel auf mein Leben und meine Situation zu bekommen, muss ich aufstehen und wieder aktiv werden. Sonst verliere ich nicht nur meine Selbstachtung und die Achtung der anderen, sondern auch meine Selbstbestimmung und meine Handlungsvollmacht.“ (M. Rampe) Anstatt „ich kann nicht“ wählen resiliente Menschen Worte wie „ich will es versuchen“ oder „ich probiere etwas anderes“. Es geht darum, sich nicht als Opfer der Umstände zu sehen, sondern wie wir in vielen Dingen und Situationen durch unsere innere Einstellung die Umstände erst schaffen oder verstärken, die auf uns einwirken.

Für sich einstehen und Verantwortung übernehmen:

Manche Menschen suchen in einer Lebenskrise erst einmal nach Fremdverschulden, andere sind bereit, selbst dann Verantwortung zu übernehmen, wenn sie gar keine Schuld trifft. Beide Reaktionen sind wenig zielführend. „ Es geht weder darum, eigene Verantwortung zu leugnen, noch darum, sich fremde Verantwortung zu eigen zu machen. Der Weg zur Resilienz führt immer über eine realistische Einschätzung der eigenen Verantwortlichkeiten – und die daraus zu ziehenden Konsequenzen.“ (M. Rampe) Resiliente Menschen blicken also weniger auf andere Menschen und deren Anteil an der derzeitigen Krise, sondern vielmehr auf sich selbst.
• Welchen Anteil habe ich an der Krise?
• Wie kann ich die Krise lösen?
• Welche Wahlmöglichkeiten habe ich?
• Was kann ich beeinflussen?
• An welchen Stellschrauben kann ich drehen?
• Womit brauche ich mich nicht zu beschäftigen, weil es in den Verantwortungsbereich anderer fällt?

Starke Netze knüpfen:

Die Fähigkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren und sich konsequent um Unterstützung zu bemühen, ist ein weiterer Schlüssel zur Resilienz. Menschen mit einem starken Netzwerk werden getragen von der Überzeugung: Egal, was passiert, da sind Menschen, die auf Gedeih und Verderb zu mir stehen. Psychisch starke Menschen wissen, wann sie Hilfe brauchen und wo sie diese bekommen können.

Zukunft selbst gestalten:

Resiliente Menschen wissen um die Kraft, wie sie ihr eigenes Leben aktiv gestalten können. Sie planen ihre Zukunft, stellen sich Herausforderungen, erwägen Alternativen, schmieden Pläne und arbeiten an ihren Wünschen und Visionen. Der feste Glaube daran, das eigene Leben vertrauensvoll selbst in die Hand nehmen und Krisen meistern zu können – allein oder mit fremder Hilfe – gibt resilienten Menschen eine feste Basis für ihre Unternehmungen.

Resümmee:

„Innere Stärke entwickeln heißt eigentlich nur, dass wir konsequent alles nutzen was die Natur uns in Sachen Krisenmanagement mitgegeben hat. Einige Menschen mögen diese Potentiale instinktiv nutzen, andere müssen sie in einem ganz persönlichen Entwicklungsprozess erst lernen. Wichtig ist allein die Tatsache, dass wir letztendlich die Grundlagen für eine starke Psyche bereits in uns tragen.“ (M. Rampe) Im Unterschied zu den genannten sieben Säulen gibt es auch die sieben Schlüssel der Resilienz. Sie zeigen konkrete Wege auf, wie wir zu diesen Handlungsansätzen kommen und wie wir die oben beschriebenen Charaktereigenschaften eines resilienten Menschen entwickeln können. Sie sind vor allem meditative Ansätze und werden durch diese auch entwickelt.

Fotoquelle: Maria Clarissa Eitel